Platz 1: Gemeindeschwester Muschenheim: v.l.n.r: Torsten Flöttmann, Dr. Detlev Kuhn, Prof. Cornel Sieber. Foto: Gerhard Kessner

Etablierung einer Gemeindeschwester im Licher Stadtteil Muschenheim

Gemeindeschwester Muschenheim

Gemeindeförderverein Lich-Muschenheim e.V.

Projektleiter: Dr. med. Detlef Kuhn

Was kann ein Dorf unternehmen, um die zum Teil großen strukturellen Veränderungen, die der Rückzug der Hausärzte aus ländlichen Regionen und der demographische Wandel mit sich bringen, aufzufangen? Das Dorf Muschenheim hat es vorgemacht: Zur Koordination und Durchführung gesundheitsfördernder Maßnahmen riefen die Bürgerinnen und Bürger des Dorfes das „Gemeindeschwester-Projekt“ ins Leben. „Für uns war der Punkt erreicht, zu handeln“, erklärt Dr. med. Detlef Kuhn, Ortsvorsteher von Muschenheim und Initiator des Projektes. „Gerade für die immer größer werdende ältere Bevölkerung ist es sehr schwierig, den Hausarzt zu erreichen. Patienten müssen öffentliche oder private Verkehrsmittel nutzen, um ihren Arzt zu konsultieren und oft weite Wege auf sich nehmen. Für Ärzte sind Hausbesuche mit einem hohen Zeitaufwand verbunden – Zeit, die bei der Behandlung der Patienten später fehlt. Die Etablierung einer Gemeindeschwester für unseren Ort erschien uns schnell sinnvoll.“

Speziell geschulte Gemeindeschwestern mit klar umrissenen Aufgaben im gesundheits-präventiven Bereich sowie in der nachsorgenden Betreuung wirken heute dem Verlust einer medizinischen Betreuung in Muschenheim entgegen. Als Gemeindeschwestern werden nur Personen eingesetzt, die fest in der Gemeinde verankert sind: Beide derzeit beschäftigten Gemeindeschwestern sind gebürtige Muschenheimerinnen. Diese soziale Vernetzung in der dörflichen Bevölkerung ist vertrauensbildend und fördert die gute Erreichbarkeit der Zielgruppe.

Persönliche Ansprache, Aufklärung und Schulungen für Patienten

In einem eigenen Behandlungsraum im Muschenheimer Kommunikationszentrum stehen die Gemeindeschwestern zu festgelegten Sprechstunden zur Verfügung. Die Patienten werden entweder durch ihre Hausärzte an das Projekt vermittelt oder wenden sich direkt an die Gemeindeschwestern, die dann wiederum Rücksprache mit dem jeweiligen Hausarzt halten.

Die Arbeit geht weit über die Befunderhebung und Therapiekontrolle wie zum Beispiel die Blutzuckerkontrolle hinaus. Die Gemeindeschwestern motivieren die Bürger zu sportlichen und sozialen Aktivitäten, gesunder Ernährung und Lebensführung. Persönliche Ansprache, Aufklärung und Schulungen verbessern die individuelle Situation der betreuten Patienten. „Wir haben beobachtet, dass die älteren Mitbürger sehr viel mobiler geworden sind und das Programm sie vital und aktiv hält: Durch das Angebot der Gemeindeschwestern kommen sie viel häufiger aus ihren eigenen vier Wänden heraus und nehmen Kontakt zu den anderen Bürgern auf“, beschreibt Kuhn.

Zurzeit nehmen rund 100 Personen an dem Programm teil. Eine zeitgleich durchgeführte Begleitstudie soll wissenschaftlich hinreichend genaue Erkenntnisse darüber geben, ob die gemachten Annahmen und Effektivitätskriterien des Projekts erreicht wurden, welche Modifikationen erfolgen sollten und ob sich dieses Konzept eignet, auch in anderen Kommunen des ländlichen Raums etabliert zu werden.

Dorf-Netzwerk steigert die Lebensqualität

Bei der Muschenheimer Bevölkerung ist das Projekt schon jetzt ein voller Erfolg: „Es wird sogar nachgefragt, die Betreuungszeiten der Gemeindeschwestern auszuweiten. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch die persönliche Betreuung durch die Gemeindeschwestern, die Teil der Dorfgemeinschaft sind. Auch das große Engagement zahlreicher ehrenamtlicher Helfer innerhalb der Muschenheimer Bevölkerung lässt das Projekt weiter wachsen“, berichtet Kuhn. So gibt es Sportgruppen, Vorträge zu Themen wie Ernährung im Alter sowie spezielle Beratungen zum Thema Demenz und Kognitionsschulungen. Aus dem Projekt „Gemeindeschwester“ entwickelt sich ein umfangreiches Dorf-Netzwerk, das die Lebensqualität der älteren Bewohner nachhaltig steigert. „Inzwischen werden die Hausärzte schon von Patienten anderer Dörfer gefragt, warum dieses Projekt nicht auch bei ihnen stattfindet“, berichtet Kuhn.

Das große Engagement und die ambitionierte Arbeit der Gemeindeschwestern in diesem Projekt hebt die Jury hervor. „Die Idee, eine Gemeindeschwester zu etablieren, um die Versorgung älterer Diabetiker im ländlichen Umfeld nicht nur zu gewährleisten, sondern auch zu verbessern, ist zukunftsweisend“, resümiert der Juryvorsitzende Prof. Dr. med. Rüdiger Petzoldt, Bad Oeynhausen. „Mit dem Projekt reagieren die Bürgerinnen und Bürger Muschenheims vorbildlich auf die veränderten Strukturen und die demographische Situation vor Ort.“

Das Preisgeld in Höhe von 12.500 EUR soll in den Gemeindeförderverein Muschenheim e.V. fließen und den Fortbestand des Projektes sichern. Geplant ist zudem, die Gemeindeschwestern z.B. im Bereich Diabetesmanagement fortzubilden, um die Betreuung der Patienten weiter zu verbessern.

Ansprechpartner Projekt:

Dr. med. Detlef Kuhn
Tel: 0172 6639330
Email: Detlef.F.Kuhn@chiru.med.uni-giessen.de