v.l.n.r.: Prof. Dr. med. Hans Georg Nehen, Dr. med. Anna Katharina Trocha, Dr. med. Dr. Univ. Rom. Andrej Zeyfang; Fotograf: Dirk Deckbar, Berlin

„Diabetes und Demenz”

Projektleiterin: Dr. med. Anna-Katharina Trocha, Klinisches Diabeteszentrum, Elisabeth-Krankenhaus Essen

Frühformen von Demenz zu erkennen und Menschen mit Diabetes dadurch vor schwerwiegenden Komplikationen zu bewahren, stellt eine große Herausforderung für Behandler und Angehörige dar. Bisher gibt es für Menschen mit Demenz bei Diabetes noch wenig etablierte Diagnose- und Behandlungspfade – eine Lücke, die Dr. Trocha und ihr Team mit ihrem Pilotprojekt „Diabetes und Demenz“ schließen möchte. „Man weiß aus Untersuchungen, dass mit der ersten Hypoglykämie das Risiko einer Demenz signifikant ansteigt. Bei der zweiten schweren Unterzuckerung ist das Demenzrisiko um 80 % erhöht und ab der dritten Hypoglykämie ist das Risiko schon verdoppelt“, erklärt Dr. Trocha, aus dem Klinischen Diabeteszentrum Elisabeth-Krankenhaus in Essen.

Menschen mit Demenz vor Überforderung mit Diabetes-Therapie schützen

„Wir haben festgestellt, dass bei den älteren Patientinnen und Patienten, die wegen einer schweren Hypoglykämie zu uns kommen, häufig die kognitive Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Diese Patienten waren uns zuvor oft als adäquate Gesprächspartner vorgekommen, waren aber mit der von uns verordneten Diabetes-Therapie komplett überfordert“, berichtet Dr. Trocha. „Auf der einen Seite erhöhen Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen mit Diabetes mellitus das Risiko für schwere Hypoglykämien. Auf der anderen Seite: Kommt es zu Hypoglykämien, so bilden sich bei diabetesbedingten mikro- und makrovaskulären Läsionen bleibende und alltagsrelevante neurokognitive Defizite“, fasst die Medizinerin zusammen. „Daher screenen wir nun seit mehr als einem Jahr alle Patienten, die älter als 70 Jahre sind und mit einer Hypoglykämie stationär in die Diabetologie kommen, auf Hinweise einer Demenz“. In Zusammenarbeit mit dem zum Elisabeth-Krankenhaus gehörenden Geriatrie-Zentrum Haus Berge unter der Leitung von Prof. Dr. Hans Georg Nehen wurden dazu einfache Screeningverfahren zusammengestellt.

Einfache Screening-Verfahren

Das Pflegepersonal beobachtet zunächst, ob es Auffälligkeiten bei der Patientin oder dem Patienten gibt, wie Weglauftendenzen in der Dunkelheit oder Desorientiertheit. Anschließend werden ein relativ einfaches Testschema und ein Uhrentest durchgeführt. Ergeben sich dabei Auffälligkeiten, die auf eine Demenz hindeuten, wird als erster Schritt die Diabetes-Therapie vereinfacht. „Wir setzen leitliniengerecht ein wesentlich höheres HbAc1-Ziel, um dadurch das Unterzuckerungsrisiko zu senken. Beim Vorliegen einer Demenz muss man nicht mehr die Folgeerkrankungen über die nächsten 20 Jahre verhindern“, betont Dr. Trocha.

Zusätzlich wird den Patientinnen und Patienten empfohlen, sich zur weiterführenden Diagnostik und für eine gezielte Therapie der Demenz im Geriatrie-Zentrum Haus Berge vorzustellen. „Das geschieht allerdings auf freiwilliger Basis“, unterstreicht die Essener Diabetologin. „ Wir besprechen das mit dem Patienten und binden die Angehörigen und den Hausarzt ein.“

Diabetologische Visite zur individuellen Therapieeinstellung

Im Geriatrie-Zentrum Haus Berge werden die Patienten im Rahmen der Demenztherapie über einen Zeitraum von drei Wochen in der Tagesklinik behandelt. Geplant ist, dort eine diabetologische Visite einzurichten. Einmal wöchentlich soll in der räumlich etwa 20 Minuten entfernten Tagesklinik eine diabetologische Fachkraft prüfen, ob sich durch die vereinfachte Therapie die Komplikationsrate (Hypo- oder Hyperglykämie) verringert und die Lebensqualität des Patienten verbessert hat. So kann bei denjenigen, die nach einer schweren Hypoglykämie üblicherweise nur kurz im Krankenhaus verweilen, die vereinfachte Diabetestherapie regelmäßig beobachtet und gegebenenfalls noch genauer auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden.

Wunsch ist, die Patientinnen und Patienten nach einem halben Jahr nochmals einzubestellen und auch Angehörige und Hausärztin oder Hausarzt zum Erfolg der veränderten Diabetestherapie zu befragen. Eine Evaluation schließlich soll die Behandlungspfade auf ihre Wirksamkeit prüfen und helfen, diese auch anderen Diabeteszentren zur Verfügung zu stellen.

„In der Diabetestherapie ist der Aspekt der Demenz bisher noch sehr wenig untersucht“, sagt Jurymitglied Dr. Dr. Andrej Zeyfang. „Für uns hat das Projekt deshalb eine hohe wissenschaftliche Relevanz. Das Ziel, möglichst frühzeitig eine beginnende Demenz zu erkennen und zu behandeln, kommt direkt der Lebensqualität der Betroffenen zugute.“

Das Preisgeld von 15.000 € Euro soll für die Einrichtung der diabetologischen Visite in der Tagesklinik des Geriatrischen Zentrums und die Evaluation der Studienergebnisse verwendet werden.

Ansprechpartner Projekt:
Dr. med. Anna-Katharina Trocha
Tel.: 0201/89784590
E-Mail: a.trocha@contilia.de